Der felsige Weg zu einer Verdachtsfallmeldung
Warum nur ein kleiner Bruchteil der Verdachtsfälle auf Impfstoffnebenwirkungen gemeldet wird
Dies ist der zweite Artikel einer dreiteiligen Serie. Dieser Titel ist für sich allein lesbar und lesenswert, doch empfehle ich Ihnen, die Gesamtheit meiner Ergebnisse über die VAERS-Nebenwirkungsverdachtsfallmeldungen zu Covid-19-Impfstoffen zu lesen. Es sind folgende Artikel:
Was ist ein Verdachtsfall auf eine Nebenwirkung?
Jeden Tag werden Menschen krank und sterben, und so wird es auch einigen ergehen, die gerade geimpft worden sind. Die Impfung ist nicht unbedingt die Ursache einer Erkrankung oder eines Todesfalls, die/der kurz danach auftrittw, und daher ist es wichtig, zwischen einem Verdachtsfall (zeitlicher Zusammenhang) und einer Nebenwirkung (keusaler Zusammenhang) zu unterscheiden. Jeder einzelne Verdachtsfall ist für sich allein nur ein „anekdotisches“ Indiz für eine Nebenwirkung, kein Beweis. Eine größere Zahl von Verdachtsfällen eines bestimmten Typs hingegen ist ein wichtiges Indiz für eine Nebenwirkung, die vielleicht noch nicht entdeckt wurde. Ein Meldesystem für Verdachtsfälle auf Nebenwirkungen ist der einzige gangbare Weg, seltene Nebenwirkungen herauszufinden, für welche die Anzahl der Probanden in klinischen Studien zu klein war.
Meiner Meinung nach sollte jede einzelne Beobachtung von Erkrankung oder Tod nach einer Impfung gemeldet werden, um ihre statistische Relevanz beurteilen zu können. Wenn die beobachtete Anzahl von Verdachtsfällen signifikant größer ist als der statistische Erwartungswert für eine bestimmte Altersgruppe und Geschlecht, ist das ein Indiz für eine Nebenwirkung und macht die Verifikation mit anderen Mitteln erforderlich. Auf diese Art wurde es zum Beispiel nachgewiesen, das Myokarditis und Perikarditis Nebenwirkungen der mRNA-Impfstoffe sind. Wenn eine Instanz (wie ein Arzt oder ein zwischengeschaltetes Institut) subjektiv entscheidet, einen Verdachtsfall zu ignorieren, vermindert das die statistische Aussagekraft der Meldungen.
So kommt als zusätzlicher, zu berücksichtigender Faktor die Melderate hinzu, also die Betrachtung, welcher Prozentsatz der aufgetretenen Verdachtsfälle überhaupt gemeldet wurden. Unter anderem wird die Melderate davon beeinflusst, welche Arten von Verdachtsfällen relevant erscheinen. Wenn der Zweck eines Covid-19-Impfstoffs ist, das Immunsystem anzuregen, sind milde grippeartige Symptome eher eine zu erwartende Folge der Wirksamkeit als als eine unerwartete Nebenwirkung und ein Arzt könnte sich entscheiden, sie nicht zu melden. Nichtsdestotrotz sind grippeartige Symptome die am häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen der Covid-Impfstoffe.
Die Standardmeldesysteme sind VAERS in den USA und EudraVigilance in Europe.
Entwicklungswege zu einer Meldung
Wie oben erklärt, wird nicht jeder Verdachtsfall, der auftritt, auch einem Meldesystem mitgeteilt. Viele Faktoren nehmen auf die Wahrscheinlichkeit der Meldung Einfluss und es kann eine lange Reihe von Entscheidungen durchlaufen werden, bis letztendlich ein Verdachtsfall gemeldet wird, wie im folgenden Diagramm dargestellt.
Auf den ersten Blick mag es etwas komplex aussehen, doch wir werden Schritt für Schritt die Details durchgehen. Anfangs (oben), tritt ein Verdachtsfall einer Nebenwirkung auf. Dann können unterschiedliche Situationen und Bedingungen auftreten, die Situation entwickelt sich gemäß der Diagrammpfeile, bis letztendlich (ganz unten) ein Verdachtsfall gemeldet wird oder nicht. Jede Situation oder Bedingung hat als mögliches Endergebnis, das keine Meldung erfolgt, was logischerweise bedeutet: Je mehr Stationen der im Diagramm verfolgte Pfad hat, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass eine Meldung stattfindet. Bestätigt wird das durch einen Vergleich der Prozentsätze der Meldungen, die von Ärzten, Patienten oder Anderen durchgeführt werden. Die (meinem Eindruck nach) meistverfolgten Entwicklungswege sind mit dicken Pfeilen dargestellt, die weniger häufigen mit dünnen.
I. Patient krank → zum Arzt gehen?
Tritt ein Verdachtsfall auf, wird die Person meist krank, in manchen Fällen stirbt sie. Eine erkrankte Person kann sich für den Besuch eines Arztes oder Krankenhauses entscheiden – oder dagegen. Das ist der erste Faktor, durch den viele Verdachtsfälle unbeachtet bleiben. Je schwerwiegender ein Verdachtsfall, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit des Arzt- oder Krankenhausbesuchs und desto wahrscheinlicher ist letztendlich auch eine Meldung. Ein Einflussfaktor ist das Geschlecht: Im Durchschnitt wurden 71% der Covid-19-Impfstoff-Verdachtsfälle in VAERS für weibliche Patienten gemeldet.
II. Beim Arzt oder im Krankenhaus → Verdachtsfall melden?
Die CDC fordert Ärzte auf, jeden Verdachtsfall zu melden – selbst wenn er/sie keinen Kausalzusammenhang zur Impfung vermutet. Doch akademische Studien zeigen, dass tatsächlich nur ein kleiner Bruchteil der real aufgetretenen Verdachtsfälle gemeldet wird.
Warum das? Um einen Verdachtsfall zu melden, muss der behandelnde Arzt
von der Impfung des Patienten erfahren
ein Meldesysem für Nebenwirkungsverdachtsfälle kennen
motiviert sein, jeden Verdachtsfall zu melden oder wenigstens einen Zusammenhang zwischen Symptomen und Impfung vermuten
die bewusste Entscheidung fällen, einen Verdachtsfall zu melden
sich pro Verdachtsfall etwa 30 Minuten Zeit nehmen können und wollen, und die Daten des Verdachtsfalls einzugeben und ihn zu melden
Zu einem großen Teil sind das äußere Faktoren und nur zu einem bestimmten Grad vom Arzt beeinflusstbar. Faktor 4, die bewusste Entscheidung, ist komplexer und beinhaltet u.a. Motivation für oder gegen die Meldung: Es können Beweggründe vorhanden sein, die den Arzt veranlssen, sich bewusst und entgegen seiner Diagnose gegen eine Meldung zu entscheiden, z.B.:
Psychologisch: Verdrängung des Gedankens, dass eine wohlgemeinte Aktion Schaden verursacht haben könnte
Juristisch: Vermeidung von Haftungsfragen, falls der Arzt/die Ärztin selbst die Impfung verabreicht und den Patienten im Vorfeld nicht ausreichend über mögliche Nebenwirkungen informiert hat
Berufung: Allgemeines Engagement für Impfungen und der Wunsch, alles zu unterdrücken, was Impfzögerlichkeit bewirken könnte
Mangel an Idealismus: Widerstreben, für die Meldung eine halbe Stunde unbezahlter Arbeit aufzuwenden
Empfinden, seinen Beitrag schon geleistet zu haben: Der Melderei müde sein, nachdem man schon in der Vergangenheit ein paar Dutzend Verdachtsfälle gemeldet hat
Frustration: Ein paar Dutzend Verdachtsfälle gemeldet zu haben und festzustellen, dass es im Meldesystem bereits Tausende ähnlicher Meldungen gibt, die folgenlos geblieben sind
Ein weiteres Hindernis ist, dass es für Ärzte nötig sein kann, Zeit zu sparen oder dass sie externer Bestätigung bedürfen und daher nur Verdachtsfälle auf Symptome melden, die bereits als Nebenwirkung anerkannt sind. Allergische Reaktionen, Thrombosen und Myokarditis sind bestätigte, teils offensichtliche Nebenwirkungen und daher gibt es u.U. eine niedrigere Hemmschwelle, sie zu melden. Diffusere Symptome wie Schmerzen in diversen Körperteilen oder neurologische Symptome sind nur schwer einer spezifischen Ursache zuzuordnen. Exotische Symptome wie Automimmunerkrankungen oder Reaktivierung früherer viraler Infektionen sind weniger verdächtig, mit einer Impfung in kausalem Zusammenhang zu stehen, und daher ist es weniger wahrscheinlich, dass sie gemeldet werden.
In Summe gibt es eine große Wahrscheinlichkeit, dass ein aufgetretener Verdachtsfall nicht vom Arzt gemeldet wird.
Wie auch immer gibt es Umstände, die die Wahrscheinlichkeit einer Meldung erhöhen können, zum Beispiel:
Die Motivation, der Gesellschaft einen Dienst zu leisten, indem man zur Entdeckung von Nebenwirkungen beiträgt
Das Gefühl der persönlichen Verpflichtung gegenüber einem Patienten, ihm zu helfen, für einen Impfschaden entschädigt zu werden
Das Streben nach der bestmöglichen Unterstützung für einen Freund, Kollegen oder Verwandten
Je höher die ethischen Standards oder das wissenschaftliche Engagement eines Arztes und je besser die Beziehung zum Patienten, desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Meldung. Je mehr Druck, Angst oder Frust, desto geringer.
III. Zurück zu Hause ohne Meldung → Selber melden?
Wenn der behandelnde Arzt keinen Verdachtsfall gemeldet hat, (oder kein Arzt konsultiert wurde), kann der Patient selbst einen Verdachtssfall melden, z.B. anhand eines PDF-Formulars, das von der VAERS-Website heruntergeladen werden kann.
Auch in diesem Fall wirken mehrere Faktoren einer Meldung entgegen: Der Patient muss
den Verdacht eines Zusammenhangs zwischen der Impfung und seinen Symptomen vermuten
von der Existenz eines Meldesystems wissen
wissen, dass er/sie selbst melden kann
die Entscheidung zur Meldung fällen
Einen Kommunikationskanal zu einem Meldesystem finden
30 Minuten Zeit aufwenden, um alle abgefragten Daten mitzuteilen
Angesicht all dieser Punkte war ich sehr überrascht, festzustellen, dass 20–25% der Verdachtsfälle auf Covid-19-Impfstoffnebenwirkungen von den Patienten selbst an VAERS übermittelt wurden!
Das ist eine erstaunlich hohe Zahl: Wenn die meisten Menschen mit Verdachtsfällen einen Arzt besucht hätten und die meisten Ärzte einen Verdacht gemeldet hätten, wären nur wenige Patienten übrig, die veranlasst sein könnten, selbst einen Verdachtsfall zu melden. Von diesen wenigen würde nur ein kleiner Anteil überhaupt von der Existenz von Meldesystemen und Möglichkeit einer Eigenmeldung wissen (vielleicht 5%), daher sollte der Anteil von Eigenmeldungen eher um die 1% betragen als über 20%. Das ist ein Indiz dafür, dass der Großteil der Verdachtsfälle nicht von den behandelnden Ärzten gemeldet wird oder dass viele Menschen mit Verdachtsfällen nicht zum Arzt gehen (was für schwere Symptome unwahrscheinlich ist).
IV. Andere erfahren davon → Für einen Anderen melden?
Unbeteiligte, wie Verwandte, Kollegen, Arbeitgeber, Pfleger oder Andere, dürfen ebenfalls Verdachtsfälle melden, aber erfahren die gleichen Hindernisse wiré der Patient selbst. Daher erfolgt nur ein kleiner Anteil der Meldungen auf diesem Weg; meinen Analysen zufolge sind es weniger als 5% aller gemeldeten Verdachtsfälle.
V. Plötzlicher Tod
Im Fall eines plötzlichen Todes nach der Impfung (ohne Besuch eines Arztes oder Hospitals), ist eine Meldung noch unwahrscheinlicher: Offensichtlich kann der/die Verstorbene seinen/ihren Tod nicht selbst melden. Die Person, die die Sterbeurkunde ausstellt, wird kaum den Impfstatus des Verstorbenen kennen, außer er/sie hat die Impfung selbst durchgeführt. Nur in seltenen Fällen wird eine Autopsie veranlasst. Ist der Verstorbene fortgeschrittenen Alters, ist es weniger wahrscheinlich, dass jemand den Zusammenhang mit einer Impfung vermutet. Zudem haben die Hinterbliebenen andere Sorgen als nach Impfbescheinigungen zu suchen und mehrseitige Meldedokumente für Verdachtsfälle auszufüllen. Stirbt eine Person ohne Bezugspersonen, ist es noch weniger wahrscheinlich, dass jemand den Fall meldet.
Overreporting und Underreporting
Auf der einen Seite muss es, aus der Natur der Definition heraus, mehr Verdachtsfälle geben als Nebenwirkungen. Jede Nebenwirkung ist ein Verdachtsfall, aber nicht umgekehrt. Logischerweise enthält jedes Meldesystem Berichte von Verdachtsfällen, die keine Nebenwirkung sind. Das wird Overreporting genannt.
Auf der anderen Seite zeigt obiges Diagramm die große Anzahl von Umständen, die dazu führen können, dass ein Verdachtsfall ungemeldet bleibt. Das wird Underreporting genannt.
Nun, welcher dieser Effekte ist stärker? Wichtiger: Was ist das Gesamtergebnis der Kombination beider Effekte? Durch Analyse der Daten eines Meldesystems allein ist es kaum möglich, herauszufinden, wieviele Verdachtsfälle ungemeldet blieben. Es gibt viele Studien, die VAERS-Meldedaten mit externen Informationen abgleichen und alle diagnostizieren als Gesamtergebnis ein signifikantes Underreporting. Dessen Ausmaß hängt u.a. von Symptomart und Schwere ab und reicht vom Faktor 6 in einem CDC-Bericht bis zu über 100 in einer Harvard-Studie. Das bedeutet, dass bei 1.000 gemeldeten Verdachtsfällen zu einem bestimmten Symptom die Zahl der tatsächlich aufgetretenen Fälle über 6.000 sein kann, oder sogar bis zu 100.000. Eine britische Metastudie von Meldesystemen fasst die Ergebnisse 37 einzelner Studien zusammen vermeldet einen Medianwert des Underreporting-Fators von 16.
Behauptungen, dass es in einem Meldesystem für Verdachtsfälle auf Impfnebenwirkungen, wie VAERS oder EudraVigilance, in Summe ein Overreporting gibt, sind also absurd und mit wissenschaftlichen Studien (inklusive Peer Review) widerlegt.
In einigen Ländern gibt es sogar noch einen zusätzlichen Schritt der Filterung von Verdachtsfällen, bevor sie an ein Meldesystem weitergeleitet werden: Zwischengeschaltete Institutionen, die lokale oder nationale Meldedaten erhalten und entscheiden können, ob sie an ein übergreifendes Meldesystem weitergeleitet werden – oder auch nicht. In Deutschland steht das Paul Ehrlich Institut unter Verdacht, sehr fleißig zu sein – beim Ablehnen von Meldungen. Ich weiß nicht, in welchem Maß das zutrifft, doch die Zahlen von EudraVigilance sind sehr verdächtig und sprechen für sich: Für die Niederlande liefert eine Abfrage nach Covid-Impfstoff-bezogenen Verdachtsfällen 3,7 mal mehr Fälle pro Geimpftem als für Deutschland. Ich denke, dass es damit unmöglich gemacht wird, die statistische Signifikanz von Verdachtsfällen anhand deutscher Meldedaten zu beurteilen.
Fazit
Viele Faktoren wirken der Meldung eines Verdachtsfalls entgegen. Den größten Einfluss auf die Melderaten kann man in Verhalten und Motivation der behandelnden Ärzte diagnostizieren. Insgesamt ist ein Underreporting um den Faktor 20 gut möglich. Angesichts der o.a. Zusammenhänge sollten wir in Erinnerung behalten, dass einige Entwicklungswege auf dem Weg zu einer Meldung spezielle Besonderheiten haben, die sich unterscheiden können je nach Arzt, Bevölkerungsgruppe und sozialem Umfeld des Betroffenen.
Angesichts dieser Überlegungen erscheint der im ersten Artikel beschriebene Gedanke von Chargen, die Tausende von Verdachtsfälle ausgelöst haben aber kaum eine Meldung, schon etwas weniger utopisch. Es gibt weitere interessante Aspekte, und die Auflösung meiner Erkenntnisse folgt im dritten und letzten Artikel: “Die wirkliche Geschichte hinter den “Bad Covid Batches”” (kommt bald).
Bleiben Sie dabei, bleiben Sie kritisch und hören Sie nie auf, selbst zu denken,
Leonard Frey
(Pseudonym)